Blut!
Alles war rot! Es kroch über die Wände, schmiegte sich um ihr Handgelenk, schlängelte ihren Hals hinauf. Vor ihr ein Nest, Säcke - nein, ein Mann. Er schlief. Er musste schlafen, lag dort so regungslos, so friedlich. Nur zugedeckt von einer dünnen, purpurnen Decke; so purpurn wie seine Kette. Er musst frieren!
Mit dem ersten Impuls stürzte sie hinunter, musste ihn wecken. Es spritzte. Weitere Blüten sprossen auf ihrem vergilbten Kleid.
Schlief er in einer Pfütze? Sie musste ihn wecken!
Erst als sie nach ihm zu greifen versuchte, hinderte sie der Dolch in ihrer Hand. Er roch kupfern.
Ein Dolch. Was war das für ein Dolch?
Ein Rubinkäfer krabbelte die Klinge hinunter.
Mit einem weiteren Klarheitsschub die Erkenntnis: Der Mann schlief nicht.
Was hatte sie getan?
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"Ich war das nicht!"
Die Panik kroch ihr aus allen Poren.
Stoisch schleiften die Wachen sie weiter vom Markt.
"Ich habe nichts getan!"
Im Augenwinkel sah sie einige Frauen - Mägde und Dienerinnen, jung und alt. Sie wagten sich nicht näher, doch ihre Blicke ketteten sich an den ihren. Nur einen Moment hoffte sie, bevor sie erkannte: Ihr würde niemand helfen. In letzter Verzweiflung trat sie, schlug um sich, kreischte und biss. Der Wahnsinn nistete sich in ihren Lidern ein.
Doch den gerüsteten Männern hatte sie nichts entgegen zu setzen.
Das schwere Türblatt fiel mit einem letzten, lauten Knall ins Schloss.