Gando
„Als gehorsamer Sklave
Bleibst du immer der Brave,
Dann bekommst du für`s Erste
Zum Lohn deine Gerste,“[1]
Steckbrief:
Name: Gando
Alter: Etwa 24 Jahre
Gewicht: 55-60 kg
Größe: ~175 cm
Statur: Schmächtig, hohlwangig
Frisur: unrasiert, kurzes leicht lockiges Haar
Charakterstory (Leichte Spoiler)
Sklaverei
„Kämpfen will ich, Lasten tragen,
Wenn sie mir Vernichtung brächten,
Will ich murren nicht und klagen
Und nicht mit dem Schicksal rechten,
Jeden Tropfen Blutes will ich
Pressen aus den Adern mir,
Ihn mit Freuden geben, still' ich
Deine schmerzen, Kind, nur Dir.“[2]
Warme Sonnenstrahlen scheinen auf dem steinigen Weg vor Trelis.
Das leise Flüstern des Windes verschwindet unter dem Knarren von Wagenrädern.
Und den gellenden Schreien einer Frau.
Die Schreie dringen durch die Gitterstäbe eines Käfigs der sich schwankend und holpernd auf Rädern über die Straße quält.
Auf dem Boden des Käfigs liegt neben Stroh und Unrat eine Frau auf dem Rücken, die Beine angewinkelt und gespreizt.
Vor ihr zwei junge Mädchen die ihr beruhigende Worte zusprechen.
Schreie und lautes Stöhnen begleiten den Wagen auf seinem Weg Richtung Süden bis langsam Stille einkehrt und nur noch das Geräusch von beschlagenen Hufen und Rädern die auf Stein reiben zu vernehmen ist.
Ein zartes Brüllen reißt die Szenerie wieder zurück.
„Wie soll er heißen?“
„…Gando.“
10 Jahre später
Es herrscht reges Treiben in Bakaresh. Auf dem Markt ist das übliche Schreien und Rufen der Händler zu vernehmen.
Durch die dichte Menge windet sich ein kleiner Junge. Das Bündel in seinen Händen ist eckig und fest verschnürt.
Mit kurzen, schnellen Schritten entfernt er sich vom Geschehen und begibt sich kurze Zeit später an gestutzten Sträuchern vorbei auf eine prachtvolle Residenz zu.
„Ich habe dein Packet.“ Gando schaut ein wenig stolz zu dem Mann vor ihm auf. Der in farbenprächtige Gewänder gehüllte Mann sitzt einem, ähnlich gekleideten, Mann gegenüber und schaut langsam zu Gando. Zorn macht sich auf seinem Gesicht breit und er erhebt sich erbost von seinem Platz.
„Du dreckiger Nichtsnutz! Siehst du nicht dass ich mich gerade unterhalte! Und du sprichst mich gefälligst mit ‘Mein Herr‘ an! So wie alle anderen auch! Na warte..!“
Er packt Gando mit festem Griff am Ohr und zerrt ihn weg.
Das Knallen einer Peitsche.
Schreie.
Der Mann geht wieder zu seinem Besuch und überhäuft ihn mit beschwichtigenden Worten.
Zurück bleibt ein, in der Ecke zusammengesunkenes, Häufchen aus Lumpen.
Ein leises Schluchzen und ruhig geflüsterte Worte dringen aus der Kammer der Sklaven.
Gando wird eine Holzschüssel mit undefinierbarem Brei in die Hände gelegt.
„Ich weiß es ist schwer für dich… Aber du musst den Herren auf’s Wort gehorchen. Präg dir alles ein was man dir sagt, erledige deine Arbeit und denk nicht nach. Das macht es nur schwerer. Ja? Und nun iss und hör auf zu Weinen. Wenn du wieder mit roten Augen zum Herrn kommst gibt es gewaltigen Ärger.“
Knechtschaft
„Sollst Dich sicher auf mich stützen
An des tiefsten Abgrunds Rande,
Meine Arme soll'n Dich schützen
Vor den Bestien im Lande.
Jede Sehne soll sich mühen,
Jeder Nerv mir thätig sein,
Und im Hirn soll's Funken sprühen
Nur für Dich, für Dich allein!“2
Gando stand wie gewohnt in seiner Nische, in der er auf Befehle wartete, sollte der Meister ihn brauchen.
Die Spalte war etwa 2 handbreit niedriger als Gando und wie für ihn geschaffen, denn in den vielen, von Verbeugungen und Demutshaltungen geprägten, Jahren war dem inzwischen Anfang zwanzig Jährigen ein krummer Rücken gewachsen.
Eine Geste im Augenwinkel.
„Diener! Wasser!“
„Natürlich, Herr!“
Eilige tapsige Schritte. Das Plätschern von Wasser in einen Krug. Die Enge einer wohligen Nische.
So ging es Tagein Tagaus. Unterbrochen nur von Botengängen und dem ständigen Säubern der Residenz des Meisters.
Er schien alles richtig zu machen, denn die Peitschenschläge und Hiebe auf die Fingerknöchel blieben nun schon eine ganze Weile aus.
Ab und an bekam Gando sogar etwas Rest vom wöchentlichen Eintopf, und wenn er Glück hatte war tatsächlich auch etwas Fleisch dabei.
Mittlerweile hatte der Meister großes Vertrauen in ihn, dachte er sich. Denn er übernahm äußert wichtige Botengänge, durfte in Bereiche wo ein normaler Bürger kaum Zutritt hatte und beförderte Pakete dessen Wert seinen eigenen weit überstiegen.
Die Wachen in Bakaresh kannten den tüchtigen Sklaven bereits und fragten meist nicht einmal mehr was er überhaupt wollte.
Er war ein guter Sklave. Seinem Meister allzeit zu Diensten. Wie sollte es auch anders sein?
So kam es das der Meister eine Reise antritt. Und nur die besten seiner Diener mitnahm. Gando war sich sicher, ER würde dabei sein. Und nicht nur das. Der Meister trug ihm sogar die ehrenvolle Aufgabe auf, vorher noch seine Wäsche zu waschen und zu packen!
Stolz lief Gando neben der Kutsche her, als diese Bakaresh verließ.
Pflicht
„Wär's, Du müßtest Hunger leiden,
Weil sie mich gethan in Ketten,
Aus dem Leibe wollt' ich schneiden
Mir das Fleisch, um Dich zu retten;
Nur, wenn Du verlangst, zu hassen
Nicht die Unterdrücker mehr,
Nein, wie Du auch bätest, lassen
Könnt ich, Kind, es nimmermehr! —„2
Räder die Knarren.
Pferde die Wiehern.
Wasser das an die Seite von einem großen Schiff klatscht.
Gando folgt seinem Meister in einigem Abstand auf das Schiff, das den Meister und seine Gefolgschaft nach Khorinis bringen soll.
„Dir wird eine wichtige Aufgabe zuteil.“ Hatte der Meister gesagt.
„Wenn du sie erfüllst bekommst du eine große Belohnung.“ Hatte er gesagt.
Gando war aufgeregt wie noch nie in seinem Leben. So aufgeregt das er vergaß die Kajüte des Meisters ein drittes Mal diesen Tag zu schrubben. Innos sei Dank hatte er nicht auch die Peitsche vergessen um seine gerechte Strafe zu empfangen. Die brennenden Schmerzen würden ihn wieder daran erinnern, was er zu tun hatte.
Als das Schiff in Khorinis einlief hatte Gando immer noch nicht erfahren welche Bedeutende Aufgabe er übernehmen durfte.
Ein paar Tage verstrichen in denen sich der Meister in einem Quartier im Oberen Viertel von Khorinis einrichtete, das er gemietet hatte.
Gando erledigte seine üblichen Aufgaben und fragte auch nicht wann er die besondere Aufgabe erledigen durfte. Das gehörte sich nicht.
Die Stadt die sein Meister ausgesucht hatte kam ihm ziemlich seltsam vor und die dort wohnhaften Leute umso mehr. Sie schenkten Gando recht viel Aufmerksamkeit und fragten andauernd was er hier oder dort machte. Dabei erledigte er doch nur seine Arbeit.
Dann war es endlich soweit.
Der Meister wollte einen Ausflug zu einem hiesigen Tempel Innos unternehmen. Vorher nahm er Gando beiseite und sprach eindringlich auf ihn ein. Gando hörte gut zu und merkte sich jedes Wort des Meisters.
Eine einfache Aufgabe. Er sollte nur eine Statuette von Innos aus dem Tempel nehmen und sie durch eine Beliars ersetzten. Der Meister hatte den Handel vorher abgeklärt.
Gando fragte sich warum er dafür eine besondere Belohnung erhalten sollte, aber er stellte das Wort des Meisters nicht in Frage.
An dem Tempel angekommen betrat der Meister die Kapelle in der Mitte, während Gando draußen warten und seiner Aufgabe nachgehen sollte. Er wartet einen Moment bis die Herren alle in der Kapelle verschwunden waren und ging dann, unauffällig wie immer, davon um die Statuette zu suchen.
Nachdem er seine Aufgabe erledigt und die Statuetten vertauscht hatte warte er wieder brav neben dem Eingang, die Rückkehr des Meisters abwartend.
Am nächsten Tag gab es in Khorinis einigen Aufruhr. Die Magier des Feuers kamen mit einigen Novizen in das Obere Viertel und verlangten mit dem Meister zu sprechen. Gando kam gerade mit einem Korb vom Markt wieder und beobachtete die Unterhaltung zwischen dem Meister und einem wichtig aussehenden Magier. Der Meister gestikuliert wild und als er Gando sah deutete er wild in seine Richtung. Die Paladine die überall herumstanden rannten auf ihn zu und warfen Gando zu Boden bevor er den Korb fallen lassen konnte.
Käse, Wurst und Obst rollten über den Platz und Gando wurde schwarz vor Augen.
Erfüllung
Das nächste was Gando mitbekam war, wie er von zwei der Soldaten der Stadt an den Rand eines Abgrunds gezerrt wurde. Ehe er es sich versah schubste einer von ihnen hinunter und ein stechender Schmerz durchfuhr ihn als er durch eine Art Wand aus Pein fiel.
Hart war das Wasser auf dem er aufkam und der Aufprall raubte ihm jene Luft die er nicht aus sich herausgeschrien hatte.
Mit letzter Kraft zog er sich an das Ufer des kleinen, aber tiefen, Teiches. Er schaute sich hektisch um.
Vor ihm lag nur ein Weg.
Vom Meister keine Spur!
Wo war er? Was sollte er nun tun?
Was würde ihn am Ende dieses Weges erwarten?
Ohnmacht kam über ihn.
Heruntergekommen
Das Flackern der Sonne blendete Gando.
Auf dem Rücken liegend streckte er eine Hand empor um seine geschlossenen Augen vor der Helligkeit zu schützen.
Das Flackern der Sonne?
Er schlug die Lider auf und blinzelte einige Male um die aufblitzenden Sterne vor seinen Augen zu vertreiben.
Auf einen Schlag riefen ihm die Schmerzen seine Lage wieder in’s Bewusstsein.
Götter!
Der Aufschlag auf das Wasser, welches allem Anschein aus Granit gefertigt war, brannte auf seinem Fleisch noch immer wie hundert Peitschenhiebe.
Einige Minuten vergingen in denen Gando versuchte die Schmerzen zu verdrängen und seinen Blick zu klären. Nur eines davon gelang ihm und so musterte er die seltsamen Blitze, die er für die Sonne gehalten hatte, wie sie scheinbar ohne jedes Muster über den Himmel zuckten.
War er im Beliar?
Die Schmerzen waren zwar schlimm, aber er hatte sich das Ende seiner Reise auf Morgrad anders vorgestellt.
Schmerzvoller.
Zumindest schmerzvoller als eine Tracht Prügel des Mei..
...
Der Meister!
Panisch sprang Gando auf die Füße und sofort standen sein Geist und sein Rücken wie in Flammen.
Nun fielen ihm auch die restlichen Geschehnisse der vergangenen Wochen wieder ein.
Magier vom Kreis des Feuers die ihn anschrien.
Paladine mit Blicken und Schwertern die nach seinem Blut dürsteten.
Verstehen wollte Gando das alles noch immer nicht. Er war so froh gewesen den Meister auf einer seiner Reisen begleiten zu dürfen.
Wie hätte er ahnen sollen das dieses Land so befremdlich und ohne offensichtliche Ordnung war?
Er schüttelte sich und gab sich selbst eine Ohrfeige, die ihm jedoch nur den Schmerz in seinem Rücken zurückrief.
Er hatte keine Zeit für derlei Gedanken! Er musste zurück zum Meister.
Das war alles woran er denken sollte. Woran seine Hände und Füße arbeiten sollten.
Dort!
Rote Schemen am Ende des Weges.
Sie schienen näher zu kommen.
Vielleicht wußten sie wo er… wo der Meister war.
Der Blick gen Sonne
„Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.“-[3]
Einige Jahre unter Barriere.
Gando war sich mittlerweile sicher. Das alles war eine Prüfung. Eine Prüfung dessen was man ihn gelehrt hatte, was er jahrelang mit jeder Faser seines Körpers gelebt hatte.
Zusammengekauert saß er in einer Ecke außerhalb von kleinen Hütten.
Wann immer jemand vorbeikam verharrte er regungslos. Die Nächte wurden langsam immer kälter und die glibschigen Wanzen von denen er sich nahezu ausnahmslos ernährte wurden auch immer weniger.
Lange konnte es nun nicht mehr dauern.
Nicht mehr Lange.
Lange hatte Gando sich am Anfang versucht einzubringen. Nach dem anfänglichen Schock das er seinen Meister wohl nicht wiedersehen würde versuchte er hartnäckig seinen alten Aufgaben weiterhin nachzukommen.
Doch die Menschen hier waren alle höchst seltsam.
Fast schon wie die Parodie normaler Menschen gingen sie umher. Guckten abgeneigt wenn Gando sie gebührend ansprach und versuchten immer wieder ihm Besitztümer zu vermachen für geringere Aufgaben.
Es dauerte ein paar Monate bis Gando verstand.
Dieses angebliche Gefängnis, das vielmehr ein Spiegel seines bisherigen Lebens wiedergab, war nur eine Prüfung.
Sein Schiksal als Sklave, gefangen in seinem eigenen Körper durch den Meister und die Götter gebunden, schien hier aus ihm herausgebrochen und legt ihm nunmehr weltliche Grenzen in Form einer Barriere auf, innerhalb derer all seine Ansichten und sein Stand keine Rolle mehr spielten.
Allein mit seinen Gedanken fragte er sich in besonders verzweifelten Momenten ob dies vielleicht doch der Beliar war.
Eine eigens für ihn geschaffene Folter.
Doch diesen Gedanken vertrieb er möglichst schnell wieder.
Zu grausam wäre die Aussicht keinen Meister zu haben und sich dieser neuen, völlig anarchistischen Ordnung zu unterwerfen.
Nein.
Er würde diese Prüfung bestehen und den kleinen Versuchungen absagen die ihn über seinen gebührenden Stand erheben würden.
Niemand wollte Herr oder Meister genannt werden.
Man wollte ihn für seine Tätigkeiten mit der hiesigen Währung entlohnen.
Und man wollte ihm einreden er wäre hier kein Sklave mehr.
Absurditäten die wie eine Reihe Bittsteller vor einem Tempel warteten.
Doch er würde wiederstehen.
Und dann… dann war es endlich soweit.
Goldener Käfig
In den Jahren die er nun schon in dem Alten Lager, wie es von den Leuten genannt wurde, lebte hatte er viel beobachtet, hin und wieder mit Besen und Bürste die Kapelle und die benachbarte Unterkunft gereinigt und war nur selten auf die Bewohner zugegangen.
Nun jedoch war sein kleiner Vorrat an modrigem Wanzenfleisch zur Neige gegangen und Hunger sowie die unerbittlich schlimmer werdende Kälte trieben ihn dazu sich abermals den Prüfungen dieser Welt zu stellen.
Einige wenige erkannten den dürren Sklaven wieder, wenn auch ihre Einstellung seiner Lage gegenüber geblieben war.
Zum größten Teil waren es jedoch Gesichter die Gando bisher nur aus der Ferne betrachtet hatte.
Zunächst schien alles wie immer und er sah sich vielen Versuchungen gegenüber die Lehren seines Lebens zu verraten.
Und doch schien Gando die Prüfungen der Götter bestanden zu haben.
Denn einer der Bewohner, ein Koloss von einem Mann dem der Winter zwar etwas zugesetzt zu haben schien der aber nichtsdestotrotz noch drei von Gandos Sorte vertilgen könnte, schien Gandos Schiksal zu verstehen.
Mit welchen eigenen Motiven er auch handeln mochte, dies war eine Belohnung der Götter, so dachte sich Gando.
Denn durch ihn gelangte der schmächtige Sklave an etwas vertrautes, warmes das ihn Hunger und Kälte fast wieder vergessen ließ.
Ein Leben.
Eine Aufgabe.
Einen Meister.
[1] Herbert Ochs
[2] Emil Peschkau
[3] Marie von Ebner-Eschenbach