Es kratzte eine Feder auf Papier im flackernden Kerzenschein. Das erlischende Licht der Abendsonne fiel herein durch ein hohes Fenster und färbte das kornblonde Haar der jungen Frau in einem feurigen rot. Die Stirn angestrengt gerunzelt, lehnte sie sich vor, strich die freie Hand am feinen Rock ab und streute anschließend etwas Sand über die trocknende Tinte. Ein angestrengter, penibler Blick über die Buchstaben, die Illustration und die reich verzierte Initiale und dann nur ein zufriedenes Nicken. Kein Wort, nur ein zufriedener Blick aus den Meerblauen Augen über die Tinte in verschiedenen Farben.
Ein Schritt zurück und sie streckte sich, gähnte leise und ließ die Schultern kreisen. Waren es echt acht Stunden gewesen? Sie sah hinaus und nickte. Ja, das Wildbret, das sie sich hatte bringen lassen zur Mittagsstunde war bereits kalt, der kalte Wein lauwarm. Mit einem Seufzen nippte sie am edlen Tropfen, ließ den goldenen Kelch kreisen ehe sie einen weiteren Schluck nahm. Die Arbeit hatte wieder ihren ganzen Tag gefressen, und doch war sie glücklich. Ein Blick nach rechts, zu dem alten, mottenzerfressenen Buch welches sie aus dem Kloster bekommen hatte. Und dann nach links, zum frisch in Leder gebundenen Buch, verzieht mit Goldbeschlägen, der Titel des Buches auf den Umschlag geprägt. Eines ihrer besten Werke bisher, eindeutig.
Und doch war sie erschöpft. Nicht etwa wegen der Arbeit, sondern wegen dem, was sie erwarten würde, sobald sie nach hause käme. Ihre Mutter, die ihre verschmierten Finger bemängeln würde. Ihr Vater, welcher sie über ihr Verhalten ihrem Verlobten gegenüber ausfragen würde. Nicht, als hätte sie Interesse an jenem Mann gehabt - ein reicher Schnösel, ein junger Adliger mit mehr Lust als Verstand, Lust die er nur im Zaum hielt weil es sich so ziemte. Oh nein, sie würde nicht in den Adel einheiraten, nur damit ihre Familie besser dastand.
Ein Blick in den Spiegel enthüllte ihr eigenes, blasses Gesicht, die Augen welche von Intelligenz und Gutmütigkeit -aber auch von Unschuld- zeugten, die zarte, zierliche Figur einer jungen Dame die nicht einen Tag ihres Lebens wirklich arbeiten musste. Die teure Kleidung, die nur einer Adligen oder Händlertochter gehören konnten. Es mangelte ihr an nichts im Leben... warum also fühlte sie sich dann so unerfüllt?
Ihr Blick glitt hinüber zu einem Stapel Bücher neben den Kissen, welche sie benutze wen sie bei der Arbeit zu müde wurde. Bücher über Varant, über Nordmar, und über Länder weiter weg, exotischer, gefährlicher. Ach, wenn das Leben doch nur so aufregend sein könnte. Sicher, es gab Gerüchte von Orks aus dem Norden, aber das würde nicht interessant werden. Die Paladine des Königs würden so einen Angriff im Keim ersticken und es wäre alles wieder beim alten. Wenn doch nur endlich etwas Interessantes passieren würde.