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Rakil

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Nickname: Rakil

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1

Montag, 1. Juli 2019, 17:20

Rakils Tagebuch

max. 18 J. -- ca. 170cm -- ca. 55kg -- blond, schulterlang, zerzaust -- grün, neugierig / ängstlich

Eintrag 1

Liebes Gedanken-Tagebuch,
heute ist ganz viel komisches passiert. Oder nicht komisch, viel eher seltsam. Es war schrecklich und ich hatte Angst und dann haben sie mich die Klippe hinunter geworfen, obwohl ich doch gar nichts gemacht hatte! Ich war doch nur zum betteln da und keiner von dieser Diebesbande - Innos soll sie strafen! Oder nein, nicht strafen. Ihnen etwas zu essen geben. Sie können ja auch nichts dafür...
Sie schmeißen mich also von dieser Klippe - ist das zu glauben? Bei Innos, was hab ich nur falsch gemacht? Der Richter klang so überzeugt und die Wachen blickten so zornig... Wenn ich mich bei ihnen doch nur entschuldigen, die Sache erklären könnte. Ich weiß aber auch gar nicht, was genau... was sollte ich nur sagen? Was könnte ich nur sagen? Und... es war ja ein Richter dabei. Wie komme ich dazu zu denken, ich wüsste besser bescheid als seine Gnaden Herr Richter? Was weiß ich schon? Ohjemine, wo bin ich nur hinein geraten? Wie soll das alles gut enden? Wurde ich wirklich zu Verbrechern, Lumpenpack und Räuberbanden geworfen? Oh graus, Oh Innos, steh' mir bei!
Doch ich verliere mich.
Keine Panik.
Repuli... Rekapiti...
Wiederholen. Wiederholen, was passiert ist. Ich bin nur ein kleiner Mensch in Innos großer Geschichte und wenn der Herr aller Menschen mich hier haben möchte, wird das einen Grund haben. Vielleicht könnte ich den Leuten hier helfen? Ihnen zeigen, dass sie keine Banditen und Halsabschneider seien müssen und... aaaah! Fang dich, Rakil, fang dich! Bis Zehn zählen, wie Mutter es dir beigebracht hat. Bis Zehn, und ruhig atmen.
So.
Sie warfen mich in den See, von der Klippe. Ich stürzte viele Meter, schrie und schlug ins Wasser wie eine Weidenrute in eine flache Pfütze - meine Haut brannte als das Wasser über mir zusammen schlug und ohne Luft in den Lungen wurde ich nach unten gezogen. Dunkelheit stieg um mich auf, durchbrochen von hellen Sternen und flackernden Lichtpunkten. Etwas streifte mein Bein und panisch schlug und trat ich um mich, bis ich, nach einer Ewigkeit wie es schien, mit dem Kopf durch die Wasserdecke stieß. Keuchend und prustend kroch ich an Land.
Der Sternenhimmel über mir war klar, der Mond leuchtete als Sichel auf mich hinab und ließ mich wenigstens einen kleinen Teil meiner Umgebung erkennen. Kisten und Seile standen herum, eine Fackel brannte am Rande des Sees - zu ihr hatte ich mich geschleppt - aber von Menschen war weit und breit nichts zu sehen. Die nassen Kleider wurden in der Nachtluft immer kälter und ich beschloss, dem von Fackeln erhellten Weg zu folgen. Die Kisten und Gerätschaften am Rande des Sees interessierten mich nicht weiter, ich wollte so schnell wie möglich weg von diesem Ort, den fackelgesäumten Weg entlang. Nur ein Schild fiel mir noch ins Auge – es warnte vor der Giftigkeit roter Pilze. Oh Graus, hatte Beliar Adanos‘ Geschenk pervertiert und seinen finsteren Einfluss auf das Land geltend gemacht, um es zu korrumpieren?
Der staubige Weg schlängelte sich zwischen den Felsen hindurch bis zu einem Tor oder Wachposten, doch die dort wachenden Uniformierten sprachen nicht mit mir. Die Abdrücke meiner vollgesogenen Schuhe und meine tropfende Erscheinung kümmerten sie nicht im Geringsten. Ihre grimmigen Blicke waren starr in die Ferne gerichtet, als würden sie jemanden - oder etwas - erwarten, mit einer Geduld und Ausdauer, die sie als erfahrene Krieger kennzeichneten. Sie schüchterten mich direkt ein und ich machte, dass ich weiter kam.
Wie ich dem Weg, der die Berge hinab zu einem Fluß führte, folgte, entdeckte ich ein großes, von Mauern umgebenes Dorf, dass sich vor dem klaren Nachthimmel abzeichnete. In der Mitte zeichnete sich der Schatten eines gewaltigen Burgfrieds ab. Zwar machte ich mich sogleich auf, es zu erreichen, doch die Reise gestaltete sich als abenteuerlicher, als mir lieb war: Am Wegesrand hatte ich ein paar Pflanzen und Kräuter entdeckt, die ich in meine leeren, nassen Taschen stopfte, doch dabei übersehen, dass ein gefiedertes, langschnäbliges Monster sich an mich angeschlichen hatten. Der Schnabel war gewiss einen halben Meter lang und scharf wie eine gewetzte Axtklinge, genauso wie die gebogenen Klauen, mit dem das Vieh aggressiv und voller Blutdurst den Boden aufscharrte, während es kehlige Drohlaute von sich gab - und ein blick in die kalten, toten Augen gab mir den Rest, ich nahm die Beine in die Hand! Auf meiner waghalsigen Flucht, querfeldein, über Steine und Geröll, durch Wiesen und Geäst, war mir, als hätte ich einen der verfluchten Pilze gesehen, mit scharlachroter Kappe… doch vielleicht war es auch nur Einbildung. Außer Atem erreichte ich das Tor des Dorfes, zwar hatte mich das Vogelmonster nicht bis zuletzt verfolgt, doch bin ich sicher nur um Haaresbreite entkommen. Innos steh mir bei, als Futter für die Würmer zu enden...?
Auch die Wachen an diesem Tor würdigten mich keines Blickes. Aber wieso auch, ein abgerissener Mann ohne Hab und Gut verdient die Aufmerksamkeit solch wohl gedienter Herrschaften wohl kaum. Um sie nicht zu belästigen schlurfte ich an ihnen vorbei, in Richtung Burg. Dort, so hoffte ich, würde ich mich vorstellen und einen warmen Platz zum schlafen finden können, vielleicht gäbe es sogar eine Kleinigkeit zu essen. Schlotternd von den nassen Kleidern am Leib hielt ich geradewegs auf die Burgwachen zu, als ich erschrak: Im Schatten vor einer Hütte, ganz nah am Burgtor, saß eine gar unheimliche Gestalt: Die Augen eisblau, wie die eines Jägers mit einer Narbe über der Wange. Ich wagte kaum ihm einen Blick zuzuwerfen und bereute es direkt, als ich es dennoch tat: Sein Blick bohrte sich in meine Seite, dann in meinen Rücken, genau zwischen die Schulterblätter, hin zu meinem Herzen und schnürte mir die Brust ein. Zum inzwischen dritten mal in dieser Nacht spürte ich die Angst in mir aufsteigen, doch dieses mal nicht etwa wegen der Annahme eines gewaltsamen Todes durch ertrinken oder zerfleischt werden von einer Vogelbestie: Nein, dieses mal war ein Mensch die Gefahr, ein Geschöpf Innos, das jedoch eindeutig auf weit dunkleren Pfaden, jenseits des heiligen Lichts, wandelte. Mutter hatte mir eingebläut, mich von solchen Gestalten fern zu halten: Nicht nur, dass sie Ärger bedeuteten, es waren auch schlechte Menschen. Trotzdem es nur ein paar wenige Schritte bis zu den schützenden Burgmauern waren, die mich vor schrecklichem Schnauben und garstigen Blicken schützen würde,zogen diese sich wie Meilen dahin. Doch ein Messer an der Kehle zu spüren, ohne einen Knüppel auf den Kopf zu bekommen erreichte ich den Bergfried und hielt geradewegs auf den Innenhof zu…
Doch – oh grau! – wie wurde ich abgewiesen. Harsch ließ mich der Burgwächter wissen, dass ich ohne Erlaubnis, ohne Genehmigung, nicht hinein dürfe. Oh, Innos, vergib mir! Was hatte ich mir nur gedacht? Wie arrogant, wie verblendet! Als könnte ich armer, lumpentragender Tropf hoffen, an diesem Königshof unterzukommen! Gewiss, die Schrecken der Nacht saßen tief und ich hatte lange nichts gegessen, mir war so kalt und ich zitterte und die Aussicht auf ein wärmendes Feuer, und sei es auf nacktem Boden davor hockend, hatten mich so sehr gelockt, dass ich meinen göttergewollten Platz vergessen hatte. Oh, welch Sünde, was würde Mutter sagen hätte sie das gemerkt? In Grund und Boden würde sie sich schämen, was hatte ich ihr für Schande gemacht.
Mit diesen und weiteren Vorwürfen wand ich mich ab und folgte, wenngleich ziellos, einem Pfad der inneren Mauer entlang zu einem kleinen, übelriechenden See mit Kochstätten daneben. Was sollte ich nur tun? Ganz allein und verlassen, in diesem großen, abgeschiedenen Tal, fern der Heimat fühlte ich mich so einsam, wie nie zuvor in meinem Leben. Doch auch nur einen Augenblick, denn der nächste Schrecken dieser, nun langsam in der Dämmerung begriffenen, Nacht rückte unaufhaltsam näher;
Gerade wollte ich mich an dem Feuerchen niederlassen, um meine klammen Finger etwas zu wärmen, da wurde ich eines Schattens gewahr: Der unheimliche Mann mit den eisblauen Augen war mir gefolgt und stand nun keine zwei Schritte hinter mir! Erschrocken sprang ich zurück, vielleicht habe ich geschrien – doch er musterte mich nur mit kaltem Blick. Ich stammelte eine Entschuldigung, so höflich ich eben konnte, und wich zurück, so weit es die Höflichkeit zu ließ – keinesfalls wollte ich diesen Mann provozieren. Doch wie es schien, irrte ich mich. Innos verzeih, dass ich diesem Geschöpf von dir aufgrund meiner Fehleinschätzung so viel misstrauen entgegen brachte; Es stellte sich heraus, dass der unheimliche Mann Varek hieß und auch, wenn er etwas ruppig sprach und nichts von Höflichkeiten hielt (er wollte nicht einmal, dass ich die Leute „Herr“ oder ähnliches nenne!), half er mir, mich zurecht zu finden. Kurze Zeit nach beginn unseres Gespräches stieß Thornwald hinzu, er war mir wegen seines Innosanhängers direkt sympathisch. Außerdem kochte er uns ein leckeres Frühstück aus Pilzen (nicht die roten, die sind giftig!) und Eier, es schmeckte hervorragend. Thornwald war ruhiger als Varek und später sollte sich meine Vermutung bestätigen, dass er schon länger als der unheimliche Mann im „alten Lager“ (so heißt das Dorf um die Burg) lebte. Thornwald war es auch, der mir zeigte, wo ich schlafen könnte, bevor er ins Lazaret ging, wohl um sich um den Mann dort zu kümmern. Dort verabschiedete ich mich von ihm, um ein wenig die Umgebung zu erkunden – meine Kleidung war am Feuer getrocknet, mein Hunger gestillt und ich hatte zwei neue Freunde gefunden. Ich freute mich schon darauf sie wiederzusehen, zum einen, weil ich sie mir sicher helfen konnten mich zurecht zu finden, zum anderen, weil Varek Hilfe brauchte. Das sagte zumindest Thornwald. Im „neuen Lager“ waren wohl Banditen, die es auf Varek abgesehen hatten – dort fanden sich sicherlich die ganzen bösen Gestalten, von denen man in der Kirche so hört – und ich machte mir Sorgen. Vielleicht könnten wir Geld sammeln, um die Banditen zu überzeugen, es sich anders zu überlegen, aber ich glaube kaum, dass Innos wollen würde, dass man Banditen bezahlt. Ach, könnte ich doch Mutter fragen, was ich machen soll… einen Geweihten wird es in diesem Tal wohl nicht geben. An Mutter musste ich auch denken, als mir Thornwald zeigte, wo ich schlaften könne. Er nannte es die Unterkunft für die „Heimatlosen“. Heimatlos..das war ich ich dann also. Verstoßen, in abgewetzer Kleider im Unbekannten, umgeben von Unbekannten – und Thornwald und Varek. Immerhin. Innos sei Dank für diese zwei wunderbaren Geschöpfe.
Und es kam noch besser: Die Schlafstatt lag ganz nah‘ bei einer Innoskapelle, die ich natürlich sofort aufsuchte. Das Gefühl des Friedens, der Sicherheit und Wärme dieses Ortes ließ mich neuen Mut schöpfen und nach einem innigen Gebet des Dankes (wobei auch die eine oder andere Frage vorsichtig formuliert wurde) machte ich mich auf, die Umgebung des Dorfes – äh, des alten Lagers – zu erkunden. Auf dem Weg aus dem zweiten Tor heraus kam ich an einem umgestürzten Turm vorbei. Karten und Schriftrollen waren auf einem Tisch ausgebreitet und Wasser tropfte von der Decke. Ich habe mir vorgenommen ein paar Eimer aufzutreiben und das in Ordnung zu bringen.
Vor den Mauern musste ich feststellen, dass es eine raue und gefährliche Umgebung ist. Schon nach kurzer Zeit musste ich umkehren, da ganz nah‘ des Weges eines der monströsen Vogelwesen kauerte und nach Beute Ausschau hielt. Schnell rupfte ich noch etwas Saphyris, dann eilte ich zurück und ging aus dem anderen Tor. Innos hat mich mit einer wohl etwas zu gesunden Portion Neugier gesegnet, denn bald fand ich mich abseits des Weges, beinah im Unterholz, wieder und blickte in den Schlund einer düsteren Höhle. An ihrem Eingang: Ein paar Pilze (nicht die roten, die sind Giftig!), wie jene, die Thornwald zubereitet hatte. Ich stopfte mir ein paar in die Tasche, bestimmt würden er und Varek sich freuen, wenn auch ich mich mit etwas zu essen bei ihnen bedanken könnte. Vorsichtig stieg ich tiefer hinab und machte noch eine kleine Ansammlung aus – als ich ein schnauben vernahm. Mir gefror das Blut in den Adern und langsam, Stück für Stück wandte ich mich auf der Stelle um; Irgendwo, aus der Dunkelheit, erklang das Schnauben erneut. Tief und grollend wurde Luft durch einen Rachen voller spitzer Zähne in die unheilige Brust eines Biestes gezogen, welches nicht von dieser Welt stammen konnte. Das anschließende Schnauben, welches ich auch zuerst vernommen hatte, klang wie das Zischen einer Schlange oder das Fauchen einer Katze, nur abgrundtief Böse, als hätte der dunkle Gott selbst seinen Schergen ausgesandt, Innos Geschöpfe zu tilgen. Ich wartete nicht, bis ich blitzende Zähne sah oder stampfende Schritte hörte, ich lief, lief so schnell ich konnte. Was war hier nur los, bei Innos? Wo war ich gelandet? Was machten diese höllischen Bestien so nah an dem Dorf? Die Bewohner mussten in Angst und Schrecken leben, womit sollten sie das verdient haben? Konnte der König keine Ritter aus seiner Burg aussenden um der Lage Herr zu werden?
Ich keuchte und verlangsamte meinen Schritt – die ständige Rennerei setzte mir zu, zumal es recht warm geworden war. Doch meine Gedanken waren es, die mich innehalten ließen: Sie stanken nach Blasphemie. Wie konnte ich mir ein Urteil erlauben, aus meiner Unwissenden Lage heraus? Wie konnte ich mir eines Anmaßen, aus meiner untergeordneten Position heraus? Ich schluchzte auf, es war einfach zu viel passiert. Ich hatte zu lange nicht geschlafen und war allein in der Ferne, mit nichts als meinem Glauben und die Lehren meiner Mutter. Es dämmerte langsam. Also ging ich Heim. Heim zu den Heimatlosen.

Dieser Beitrag wurde bereits 12 mal editiert, zuletzt von »Rakil« (3. Juli 2019, 14:35) aus folgendem Grund: 'n Dutzend Jahre kein Forum mehr benutzt und vollkommen unfähig geworden :'D


Rakil

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2

Mittwoch, 3. Juli 2019, 14:31

Eintrag 2

Als ich am nächsten Morgen wach wurde, war ich allein. Das war komisch. Oder nicht komisch, viel eher seltsam.
Auch hatte mich heute nicht das Klappern eines Karrens, die Schreie eines Kindes oder der Ruf eines Singvogels geweckt. Vielleicht war es die sonderbare Ruhe, die über meiner Schlafstatt lag und die schwüle Hitze der in der Mittagssonne aufgeheizten Kammer, was mich die auffahren ließ. Ein paar Augenblicke brauchte ich, um mich zu erinnern was vorgefallen war - auch wenn ich es noch immer nicht begreifen konnte. Wie, beim heiligen Uthar, konnte ich nur in dieses... dieses Malleure, Dilemma, diese Ausgeburt eines Albtraumes hineingeraten? Unheimliche Gestalten trieben sich im Dorf herum, die Umgebung verseucht mit Banditen, die mich ausrauben, Viechern, die mich verspeisen und ... und Pilzen, die mich vergiften wollten (die roten, die sind giftig!).
Zum Glück hatte Thornwald mir reichlich von der (ungiftigen) Pilzpfanne und den Eiern gegeben, sodass ich mich zumindest körperlich einigermaßen fit fühlte. Und Mutter würde nicht wollen, dass ich den Kopf hängen lasse. Innos mag die Aufrechten, die Wahrhaften - eben die Guten. Und die Guten sollten den Kopf nicht hängen lassen, ist ja klar. Also fasste ich mir ein Herz, atmete tief durch und trat in die Mittagssonne. Über mir, am Himmel, zuckten lustige kleine Blitze auf einer schwummrigen Oberfläche umher. Nachts sah es ein wenig so aus als wäre Wasser in ein unsichtbares Gefäß gefüllt. Es verlieh dem Sternenhimmel etwas hübsches, magisches. Ein gutes Omen von Adanos, erkannte ich beglückt, und freute mich, dass auch dieser, von mir insgeheim als etwas grießgrämig wahrgenommener Gott den Menschen hin und wieder eine Freude machte.
Beschwingter Laune schlenderte ich durchs Lager, bis mein mich Weg mich zu dem umgestürzten Turm führte. Die Pfützen, die sich an seinem Eingang gebildet hatten, waren unter Innos brennendem Blick schon fast verschwunden, doch die glitschige Schlieren und der muffige Geruch war haften geblieben. Ich rümpfte die Nase und trat, einen großen Schritt machend, ein. Mein Blick tastete die Decke entlang und machte ein paar größere Ritzen und Fugen aus, die verdächtig feucht schimmerten; Das war es. Ich hatte meinen selbstgewählten Auftrag nicht vergessen und so trat ich - erneut bewusst großen Schrittes - wieder hinaus und schlenderte in Gedanken vertieft den Dorfweg entlang. Thornwald und Varek würden sich bestimmt freuen, wenn ich hier etwas zum besseren wenden könnte. Und vielleicht würde Varek auch mitmachen wollen, Thornwald sagte er, er wolle sich intrigieren. Oder integrieren? Einerlei, frisch ans Werk!Meine erste Idee - einfach ein paar Fässer unter die Tropfstellen zu stellen - scheiterte. Entweder waren die Fässer mit allerlei Tand gefüllt, oder zu wuchtig, alsdass ich sie allein hätte bewegen können; Und ein Blick zu den Gardisten, die mich kritisch beäugten, genügte um klarzustellen, dass sie ihre Pflichten nicht vernachlässigen würden. Ich nickte ihnen respektvoll zu - Aufopferungsbereitschaft für die Gemeinschaft der Gläubigen und unbedingte Hingabe an die Pflicht - ich war tief berührt und kam mir schäbig vor, gehofft zu haben, diese edlen Gesellen in ihrem stolzen (wenn auch etwas einschüchternden) Rüstzeug hätten Zeit für mich übrig. Für mich Unwürdigen, der noch nicht einmal den über ihn gesprochenen Richtspruch verstand! Oh Innos, steh mir bei!In Demut doch gestärktem Glauben schritt ich zum Stadttor - ich hatte gesehen, wie Mutter einst einen Kessel mit Stroh und Erde gestopft hatte. Wollen doch einmal sehen, ob die Techniken der Kesselflickerei nicht auch für Gemäuer taugen! Aber: So groß meine Zuversicht, so groß auch der Schreck: Wenige Schritte außerhalb der schützenden Mauern musste ich einen Blick in die starren Augen eines Vogelmonsters werfen. Es pickte im flachen Gras, neben dem Weg und scharrte mit scharfen Klauen im Dreck. Gelegentlich schüttelte es sein Gefieder und stieß ein unterdrücktes Krächzen aus, wie das heisere Knurren eines alten Hundes. Mir schauderte und langsam ging ich rückwärts. Es gab noch einen anderen Weg aus dem Dorf... dem Alten Lager. Er lag auf der anderen Seite, doch was sollte ich tun? Dieses Monstrum würde mich schneller in Stücke gerissen haben als ich "General Lee" sagen könnte (und das geht wirklich schnell). Auf jeden meiner Schritte achtend, und somit unbehelligt, erreichte ich das Tor und machte mich auf, zum anderen. Dort war mir Innos hold, weit und breit kein Vieh' und kein Tunichtgut zu sehen, dafür große, dicke Blätter unter einem Baum. Ich kannte die zugehörige Pflanze nicht, doch hoffte ich, dass sie für meine Zwecke reichen würde. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich nichts hatte, um die Blätter am Stil abzuschneiden, sodass ich damit begann, sie mühselig abzubrechen, umherzudrehen und daran zu zerren. Die einzelnen Fasern hielten fest zusammen - ich hoffte, das würde sich später auch für's Stopfen nützlich sein - und ließen sich nur unter großer Mühe trennen. Immer wieder schaute ich mich um, ob nicht irgendwo ein Dieb lauerte, der an meine letzte Ration wollte, die ich noch vom guten Thornwald übrig hatte - doch niemand war zu sehen, Innos hielt seine schützende Hand über mich - leider lieh' er mir nichts von seiner Kunstfertigkeit.
Meine Ausbeute war ausgesprochen gering, immer wieder fielen Stücken herunter oder brach etwas an falscher Stelle, bis ich am Ende kaum eine handvoll Pflanzenmus mit Stöckchen in der Hand hatte. Kritisch beäugte ich das Gemisch in meinen Händen und stellte fest, dass es sehr wenig mit dem gemeinsam hatte, womit Mutter den Kessel geflickt hatte. Andererseits... vielleicht etwas Wasser und Erde...? Mit einem Schulterzucken machte ich mich auf den Rückweg, auch weil die Dämmerung bereits heraufzog. Ich hatte den halben Tag verschlafen und bei der Arbeit ... nun, vielleicht hätte ich mich etwas beeilen sollen..? Nein, stop! Keine Zweifel! Kopf hoch und frohen Mutes, denn: Wenn der Gedanke aufrichtig ist, kann die Tat keine Sünde sein! Frohen Mutes - und auch inzwischen etwas hungrig - machte ich mich auf den Rückweg ins Lager. Hätte ich geahnt, was ich am Abend noch erleben würde - ich wüsste nicht ob ich Heim gekehrt wäre. Heim, zu den Heimatlosen.

Rakil

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3

Mittwoch, 3. Juli 2019, 14:32

Eintrag 3


Es dämmerte bereits, als ich ins Alte Lager kam und so beeilte ich mich, zum Schattenturm zu kommen. Auch hatte ich bemerkt, dass am Horizont dunkle Wolken aufgezogen waren, auf denen das Geblitz auf einmal viel weniger anmutig, sondern viel eher bedrohlich wirkte. Mit ausgreifenden Schritten machte ich, dass ich voran kam, doch der Weg zog sich. War ich falsch abgebogen, nachdem ich das Tor passiert hatte? Möglich – alles war noch so fremd und verwirrend und so viel größer als ich… Doch schließlich, mein Bauch hatte inzwischen ein leichtes knurren vernehmen lassen, sah ich in der einsetzenden Dunkelheit den Turm vor mir. Mich schauderte – war dies noch ein Omen? Der Schattenturm, zu Abend gefunden… irgendwie unheimlich.

Ich schüttelte den Kopf und lief weiter. Nichts als Aberglaube, sagte ich mir, nur deine Phantasterei, die mit dir durchgeht! „Was, zum Fick, rennst du denn hier so herum?!“ rief es mir plötzlich wüst entgegen und ich erschrak so sehr, dass ich die Arme in die Luft riss. Aus den Schatten, am Schattenturm, schälte sich die Gestalt von Varek und trat auf den Weg. Ich hatte nicht damit gerechnet ihn zu treffen – irgendjemanden zu treffen, von den finster dreinblickenden Gardisten einmal abgesehen – doch fing mich schnell wieder; Ich winkte ihm eifrig zu: „Hey Varek!“ und hoffte, dass ich nicht bemerkt hatte, dass ich die Arme im ersten Moment nicht vor Freude gehoben hatte. Doch nun grinste ich ihn an, während ich meinen Schritt verlangsamte und ihm entgegen kam. Bevor wir uns vor dem Turmeingang trafen überlegte ich noch, wie ich ihn wohl überzeugen könnte, mir zu helfen, doch ich war zuversichtlich. Wir waren schließlich schon fast so etwas wie Freunde, richtig?





Tropf. Tropf. Tropf.
Mein Schädel: bleiernd, schwer, leer. Ich höre meinen Atem nicht, nicht das Rauschen meines Blutes, nur: Tropf. Tropf. Tropf. Meine Füße sind nass, meine Stiefel durchgeweicht, die Spitzen versinken beinah‘ im Wasser, ich achte es nicht. Tropf. Tropf. Tropf. Meine Fingerspitzen brannten, dann wurden sie kalt, jetzt fühle ich sie so wenig wie meine klammen Glieder. Tropf. Tropf. Tropf. Alles zieht mich hinunter, sodass ich mit dem letzten Rest kümmerlicher Willenskraft mich Zwinge, meine Knie umschlungen zu halten, sodass mein Kopf nicht auf dem Boden zerschellt. Tropf. Tropf. Tropf. Mein Herz ist ein kalter Klumpen, Brust und Hals zugeschnürt, die Leere ist im Bauch, nur saugt auch sie in einen Abgrund, den ich nicht sehen kann, obwohl mein Blick ins Nichts geht. Tropf. Tropf. Tropf.

Platsch.Da ist noch etwas. Ein anderes Geräusch. War es vorher schon da? Vorher? Zeit spielt keine Rolle mehr. Nicht an einem Ort, der ewig ist. Für immer. Für immer, das ist verdammt lang.
Tropf. Platsch. Da war es wieder. Das Platschen, in die Pfütze. Nichts hatte ich verändert. Das Tropfen von der Decke. Nichts erreicht. Ein eisiger Windzug fuhr durch mein Haar und den Aufschlag meines schmuddligen Hemds entlang, den Rücken hinab. Nicht ein Zucken. Tropf. Platsch. Viecher und Untote. Vor meinem geisten Auge zogen die Bilder der Bestien vorbei, die ich hatte schauen müssen. Scharfe Krallen, spitze Schnäbel, tödliche Klauen und in der Dunkelheit, dahinter… Banditen und Mörder. Es war mir als spürte erneut Vareks Klinge auf meiner Brust, wie sie sich kalt auf meine Haut legt und brennend hinein sticht, sodass ein einzelner, roter Blutstropfen meine Brust herab, sich mit Wasser – und Tränen – vermischend mein abgetragenes Oberteil herab sickert. Niemand kümmert sich. Nicht einen scheiß! Varek, die Gardisten, jeder der herum lief, ja, selbst Thornwald – alles Verbrecher, richtige Verbrecher. In eine Strafkolonie gesteckt um in Minen zu schuften bis sie umfallen würden, bis zum Ende ihres Lebens. Bis zum Ende unseres Lebens. Ich war auch hier. Ich war auch einer von Ihnen. Ich war… auch ein Verbrecher?

Was sollte ich hier? Erz hacken, für den König? Wie?! Ich war schwach und glaubte nicht, dass ich überhaupt im Stande wäre, die Hacke häufiger als ein halbes Dutzend mal über den Kopf zu heben und auf Fels, Gestein und angereicherte Brocken niederfahren zu lassen. Allein der Gedanke lies mich aufstöhnen. Und auf mich aufpassen? Ich hatte niemanden, der sich um mich kümmerte – gewiss hatte ich Thornwalds dunkle Seite in meiner Dummheit nur noch nicht erkannt. Bestimmt würde er bald etwas von mir fordern – einen Gefallen, Gold oder eine Schandtat, um die er sich nicht selbst kümmern wollte. Seine anfängliche Freundlichkeit war bestimmt ein geschickter Vorwand, um sich mit den Neuen gut zu stellen und sie ausnutzen zu können. Doch warum half er im Lazarett? Vielleicht schuldete ihm der arme Kerl im Bett noch etwas und er versicherte
sich, dass er nicht plötzlich aufsprang und sich von dannen machte.

Von dannen… zum ersten mal, seit der langen Zeit, die ich verloren im Schatten des Schattenturms hockte, gab ich einen Laut – einen bewussten – von mir: Ein langezogenes Seufzen, das, zugegeben, in ein Schluchzen überging, dass ich nicht mehr unterdrücken konnte. Die Männer hier waren alle älter als ich und auch körperlich viel… stärker, bulliger. Sie waren harte Arbeit gewohnt, bei der Schweiß floss und Muskeln sich unter zu enger Kleidung spannten. Ihre dicken Unterarme und schwieligen Hände zeugten von täglichem Einsatz und gewiss trugen sie ihre Waffen nicht aus Jux und Dollerei an der Seite. Und ich? Nie hatte ich einen Knüppel geschwungen, geschweige denn ein Schwert. Andere hoben die Fäuste,ich hob die Hände und machte mich klein – ich wollte doch nie jemandem etwas böses! Verzweifelt stieß ich die Luft zwischen den Zähnen hindurch.

Ich weiß nicht, wie lange ich in am Eingang des Turms hockte. Nachdem Varek gegangen war, hatte mich alle Kraft verlassen und ich war niedergesunken, wo ich stand. Zitternd, weniger vor Kälte als viel mehr vor Grauen und im Erkennen meiner Situation begriffen, war es mir unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Selbst jetzt noch. Ich war allein, ganz allein und meine Zukunft lag in Finsternis.
Oh, Innos, steh mir bei.
Innos?
Innos..?

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