Hallöchen!
Da ich derzeit coronabedingt mit dem Studium und Masterarbeit eher langsam vorankomme und Intergruppenkonflikte eins meiner liebsten Themen waren, hab ich mal einen kleinen Essay dazu geschrieben. Das Ganze befasst sich eher mit den Mechanismen hinter der Konfliktentstehung und weniger mit tatsächlichen Lösungen und ist hauptsächlich aus Spaß an der Freude entstanden. Vielleicht für den ein oder anderen trotzdem ganz interessant zu lesen.
Ein paar wenige, halbwegs vernünftige Ideen habe ich trotzdem mal am Ende zusammengefasst und wer Lust hat kann hier gerne auch noch eigene Vorschläge posten. Geht, wie gesagt, aber eher ums Herumphilosophieren.
Ab und an habe ich auch das passende Paper angegeben, falls jemand sich für die dahinterliegende Materie interessiert. Aber da das hier keine Hausarbeit ist, haben da Lust und Laune mehr Einfluss gehabt als irgendwelche vernünftigen Kriterien
// edit: Bei Aussagen wie "umso x, desto y" handelt es sich um Durchschnitsangaben, nicht um für jeden gütltige Fakten
1. Warum entstehen Konflikte auf SKO?
Auf individueller Ebene
1. SKO ist anonym und indirekt, dazu wird Sprach- statt Textchat genutzt. Wie bei fast jedem Onlinespiel oder generell im Internet. Hier braucht man glaube ich nichts weiter zu sagen.
2. SKO ist ein Rollenspiel. Rollenspiele in denen man jemand anders „sein kann“ als man selbst ziehen naturgemäß eher Menschen an, die unzufriedener mit ihrem eigenen Selbst oder Aspekten davon sind als Menschen, die zufrieden mit ihrem eigenen Selbst sind. Also Menschen, die logisch gesehen Interesse daran haben mal nicht sie selbst zu sein. Das ist an und für sich nichts schlechtes, man kann sich so ja auch mal in anderen Rollen ausprobieren und im RL nutzbaren Selbstwert generieren, ebenso verstärkt es aber das Konfliktpotential, wenn man konfliktanfällige Menschen anspricht.
3. SKO nutzt anders als z.B. WoW ausschließlich Menschen für (erzählungstragende) virtuelle Personen. Menschen haben grundlegend höhere Erregungszustände bei Avataren, die durch andere Menschen gesteuert werden oder bei denen sie es annehmen und zeigen höheres kognitives und emotionales Interesse an ihnen (Lim&Reeves 2010).
4. SKO nutzt Avatare. Der namensgleiche Film von James Cameron illustriert das Potential und die Probleme einer externen Selbstrepräsentation recht gut. Jake kann Dinge erleben, die mit seinem eigentlichen Körper auch aufgrund seiner Behinderung nicht möglich sind, gleichzeitig verstärkt sich seine emotionale Verbindung mit dem Avatar je mehr Zeit er in diesem Zustand verbringt.
Generell hat das Nutzen eines Avatars 2 Auswirkungen
- Räumliche Präsenz wird verstärkt – Das Gefühl „da zu sein“ ist stärker als bei Spielen ohne Avatar. Dies führt auch dazu, dass das Erlebte als persönlich relevanter erlebt wird (Reeves&Read 2010). Bei SKO wird dieser Effekt durch das narrative Design (Simmons 2006) sowie Echtzeitfeedback bei verschiedenen Aktionen (Kampf etc..)(Welch, Howard & Rush 1989) noch weiter intensiviert.
- Selbstpräsenz entsteht – Das Gefühl, dass der Avatar „man selbst“ ist, beziehungsweise eine Verlängerung des eigenen Selbst. Dieses Gefühl verstärkt sich, wenn man die Möglichkeit zur Personalisierung hat, genau wie in SKO gegeben (Ratan 2012 oder Lim & Reeves 2009) und wenn die Spiele Bindungen zwischen Avataren thematisieren – genau wie in SKO. Wie man seinen Avatar gestaltet (groß und muskulös z.B.) hat auch Auswirkungen auf das Verhalten mit diesem Avatar – bekannt als Proteus-Effekt (Blascovich 2007). Umso muskulöser und größer ein Avatar ist, desto aggressiver verhält sich auch der ausspielende Spieler. Ich schlage daher vor, Spieleravatare auf 0.75 zu skalieren und den Muskel- und Breiteslider für alle auf das absolute Minimum festzulegen. Um das Aggressionspotential durch Personalisierung zu reduzieren sollten alle Avatare den gleichen Body und das gleiche Face nutzen. Ich schlage folgendes vor:
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5. SKO ist ein zeitintensives Spiel, aufgrund seines Aufbaus und seiner Mechaniken. Mittlerweile gibt es Studien, die zeigen, dass bei hoher Avatarnutzung im Gehirn die fast die gleichen neuronalen Reaktionen ablaufen wie auch bei dem biologischen Körper (Ganesh et al. 2012). Ob der Avatar oder man selbst beleidigt wird, macht psychologisch gesehen manchmal keinen großen Unterschied.
Auf Gruppenebene
SKO induziert mit seinen Lagern Gruppenkonflikte. Generell gibt es nur drei Arten von Gruppenkonflikten. Der Kampf um Ressourcen, der Kampf um Selbstwert und eine Kombination der beiden.
In SKO sind skriptmäßig zum Glück genug Ressourcen für das Überleben aller Chars vorhanden (die Reduzierung der Spawns im Winter sollte man aus wissenschaftlicher Sicht wohl allerdings abschaffen!!), daher handelt es sich eher um einen Kampf um Selbstwert. Letzterer wird meistens eher als Kampf um Soziale Anerkennung bezeichnet, im Kern geht es aber wie bei fast allem darum damit den eigenen Selbstwert aufzuwerten. Generell haben Menschen das Bedürfnis Gruppen, denen sie angehören, positiv wahrzunehmen, damit sie sich selbst als positiv (weil Teil von etwas positivem) werten können. Wir besitzen aber keinen absoluten Mechanismus um etwas als positiv wahrzunehmen, sondern nur einen relativen. Das heißt, die eigene Gruppe positiv wahrzunehmen funktioniert nur, wenn man die andere abwertet. Das kann in unterschiedlichem Ausmaß und auf unterschiedliche Weise (emotional/kognitiv) geschehen. Es braucht nicht mal unterschiedliche Werte/Ziele etc… (auch wenn diese das Konfliktpotential natürlich weiter erhöhen), sowas passiert selbst bei völlig artifiziellen Gruppen ohne Inhalte (Brever 1979).
Wenn Gruppenkonflikte entstehen, gibt es eine Reihe von Prozessen und Variablen, durch die sie sich selber verstärken. Im Kontext von SKO sind die wichtigsten:
A. Polarisierung. Konflikte diskutieren ist nicht immer etwas Gutes: wenn man es nur mit Mitgliedern der eigenen Gruppe tut ist im Regelfall Gruppen-Polarisierung die Folge. Die Gruppenposition wird noch extremer und die Gruppenmitglieder hängen ihr noch stärker an (Binder, Balrymple, Brossard & Scheifele 2009; Brauer 1995; Hovland 1953). Die Lager sind im Spiel räumlich getrennt, dazu gibt es separate Foren und (insbesondere) TS-Räume in denen viele solcher Diskussionen geschehen. Man sollte also nur noch einen TS Kanal für alle haben.
B. Möglichkeiten der Bedrohung. Wenn es Gruppenkonflikte gibt, bei denen keine Partei die Möglichkeit hat zu drohen(mit Vorteilsbildung), finden die Gruppen meist automatisch die für beide Parteien beste Lösung. Wenn eine Partei die Möglichkeit zur Bedrohung hat, wird es schlimmer jedoch nicht so schlimm, wie wenn beide Parteien diese Möglichkeiten besitzen (in SKO kann man ja z.B. die Minen/Personen der anderen Parteien angreifen oder unter gewissen Bedingungen auch Charaktere töten, ebenso ist das Androhen von Inaktivität ein Druckmittel) (Deutsch 1960). Tötungen sollten also, wie in der echten Welt auch, verboten werden.
C. Stellvertretende Vergeltung (Lickel & Miller 2006). Ein weiterer Grund, warum Konflikte oft von selbst eskalieren ist, dass nach dem Initialkonflikt selbst Gruppenmitglieder die von der ursprünglichen Auseinandersetzung gar nicht betroffen waren bei einem Konflikt oft Aktionen gegen die andere Gruppe erbringen. Sieht man auf SKO wie im RL nur zu häufig.
2. Wie beeinflussen Gruppenkonflikte das eigene Erleben?
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Die hauptsächliche Auswirkung ist natürlich Stress. Und abgesehen davon, dass es unglaublich nervig ist von etwas das eigentlich Spaß bereiten soll (ein Gothic Multiplayer – yay) gestresst zu werden, wirkt das Ganze natürlich auch auf’s Denken. Aber es gibt noch ein paar spezifische Wahrnehmungsverzerrungen.
1. Die Positionen und Handlungen der Eigengruppe werden als valider und rechtschaffener wahrgenommen als sie eigentlich sind (z.B. Castano 2008)
2. Die Positionen und Handlungen der Fremdgruppe werden als weniger valide und rechtschaffen wahrgenommen als sie eigentlich sind (z.B. Workman 2013). Wichtig ist hier auch die sogenannte reaktive Abwertung (Curhan 2004). Von der Fremdgruppe angebotene Lösungen werden fast immer schlechter wahrgenommen als sie eigentlich sind.
3. Die Kompetenz der Eigengruppe wird überschätzt (Lebow & Stein 1987).
4. Die Eigengruppenaktionen werden als proaktiv gesehen, die der Fremdgruppe als aggressiv (Oskamp & Hartry 1968). Wie bei so ziemlich jeder AL/NL-Diskussion zu sehen ist…
5. Eigengruppenaktionen werden als situationsbedingt angesehen (man musste sich ja wehren), Fremdgruppenaktionen als charakterbedingt (sie sind böse!) (R. K. White 1987).
3. Wie kann man Gruppenkonflikte generell verringern?
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Generell arbeiten Mediatoren mit drei Prozessen.
1. Der Veränderung von Wahrnehmung und Reaktionen. Darunter fällt zum Beispiel die Etablierung aggressionsablehnender oder empathiefokussierter Normen und die Reduktion von aggressionsassoziierten Dingen in der Umgebung. Es empfiehlt sich daher möglichst alle Waffen aus dem Spiel zu entfernen. Auf individueller Ebene gibt es die alte Volksweisheit doch erstmal tief durchzuatmen, wenn man wütend ist. Allein mal ein paar Minuten abzuwarten, reduziert viele der Wahrnehmungsverzerrungen (Dodge & Newman, 1981).
2. Verhandlungen. Vielleicht kontraintuitiv führen viele Verhandlungen nicht zu einer dauerhaften Verbesserung eines Konflikts, weil aufgrund unterschiedlicher Ausgangsstärken der Parteien keine integrativen Lösungen entstehen, sondern solche die weiteren Konflikt nur fördern. Man denke beispielsweise an Deutschland vor dem ersten Weltkrieg. Integrative Lösungen sind Lösungen bei denen der Gewinn der einen Seite nicht zwingend einen Verlust bei der anderen Seite bedeutet. Um integrative Lösungen zu finden braucht es kreatives Denken und vor allem ein Verständnis der Interessen, Ziele, Werte und Kosten der jeweils anderen Gruppe – in anderen Worten Zeit und Energie. Hier sind Mediatoren am besten eingesetzt.
3. Intergruppenkoordination. In anderen Worten: gemeinsame Ziele. Braucht man glaube ich nicht weiter auszuführen.
4. Wie könnte man Konfliktpotential auf SKO verringern?
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Erstmal: Natürlich gibt es schon bereits jede Menge Ideen, die auch in der Community umgesetzt werden. Gesunder Menschenverstand reicht dazu auch im Regelfall völlig aus. Der Verzicht auf Waffenabnahmen zwischen NL/AL, die Communitymoderation oder die Funktionsweise von DiebesRP sind Beispiele dafür. Ebenso, dass es Handel zwischen AL/NL gibt und das NL nicht wie im SP von dem Überfallen von Außenweltkonvois abhängig ist.
Ich denke auch, jedem hier ist klar dass man die Konflikte auch gar nicht beheben kann/will, da vieles davon sich einfach aus dem Setting ergibt und den Reiz am RP ausmacht. Und dass dementsprechend meine Anmerkungen oben auch nicht ganz ernst gemeint sind. Aber es gibt innerhalb und außerhalb des Settings schon ein paar Sachen, die man machen könnte.
Innerhalb des Settings
- Punkto Bedrohungspotential. Das Machtmonopol des Feuerkreies aufheben. Wassermagier und Feuermagier können Runensteine nur über die Außenwelt und den Feuerkreis beziehen, der Feuerkreis hat sogesehen als einziger der drei Parteien ein Bedrohungspotential - das ist konfliktfördernd wie wir gelernt haben. An anderer Stelle ist dieses Bedrohungspotential ja absolut gewünscht, bei den Gilden die in letzter Instanz für den Koloniefrieden gedacht sind und bewusst so gestaltet wurden könnte man über alternative Lösungen nachdenken. Z.B. dass Runensteine gemeinsam erschaffen werden müssen.
Außerhalb des Settings
- Punkto Verhandlungen. Wieder einen Communitymanager einsetzen, diesmal auch spezifisch mit Mediationsfunktion, anders als im ursprünglichen Konzept vorgesehen.
- Punkto Normen. Im Beschwerde-Diskussionsthread die Regel einführen, dass in Posts vom eigenen Charakter in der dritten Person gesprochen werden muss um bewusst ein bisschen Distanz reinzubringen. Anfangs natürlich mit großem Löschaufwand verbunden.
- Punkto Zeitinvestment. Je mehr Zeit man investieren muss, desto verbundener ist man mit dem Avatar. Allein eine Jagdlehre korrekt auszispielen (ca. 300 teaches a so. 1-2 Stunde pro Unterrichtsstunde braucht zB 300-600 Stunden, einen Charakter auf das Maximum an Stats zu bringen noch viel viel mehr. Hier könnte man an vielen Stellen herumschrauben.
- Punkto Verlustpotential. Oder in anderen Worten Chartötungen. Hier verliert man teils tausende Stunden an Investment. Seitens Gotha kam im Livestream ja auch schon mal die Idee, das etwas zu reduzieren indem man bei Verlust einen neuen Char mit anteiligen Stats bekommt. Die Wissenschaft sagt ja! Aber dann bitte etwas ala 50-75% der Teaches, nicht der tatsächlichen Stats. Aka. Verliert man einen Char mit 60 Str (ca. 120 Teaches) steigt man mit 60/90 Teaches wieder ein, also 40/50 Str.